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28.08.2014 13:09 Alter: 10 yrs
Kategorie: Artikel

Entspannen

"angesagt" zu den prophetischen Worten Lukas 2, 29-31 (Die Kirche Nr. 35 vom 31. August 2104)


Herr nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast. Denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Lobpreis deines Volkes Israel.

 „Neapel sehen und dann sterben“. Vermutlich ist dieser berühmte Spruch im Windschatten des Lobgesanges Simeons entstanden. Man sieht, man erlebt etwas dermaßen Schönes, dass es danach nichts mehr zu sehen und zu erleben gibt, was sich lohnt. Man kann getrost mit dem Leben abschließen.

Von denen, die Neapel gesehen haben, wird allerdings nicht berichtet, dass sie dann tatsächlich gestorben sind. Sicherlich haben sie eher Lust bekommen, zu leben. Der Erfinder des Lobpreises von Neapel war bestimmt noch jung. Der Simeon aus dem Lukasevangelium aber ist alt.

Merkwürdig, dass Lukas direkt im Anschluss an die Weihnachtsgeschichte diesen alten Mann zu Worte kommen lässt. Er freut sich, in Frieden sterben zu können, während die Geschichte des Lebens Jesu erst richtig losgeht. „Jesus sehen und dann sterben" - das klingt jedoch nicht gut. Das ist nur zur verstehen, wenn man Simeon kennt. Der hatte sein ganzes Leben damit verbracht, die Ankunft des Messias zu prophezeien. Nun ist er da. Jetzt ist seine Lebensaufgabe erfüllt. Jetzt kann er loslassen.

Das „Nunc dimittis“, wie der Lobpreis Simeons mit seinen beiden ersten Worten auf lateinisch heißt, ist darum für die Christenheit eine Anweisung zur Entspannung geworden. Es hat seinen festen Platz im uralten Stundengebet unserer Kirche, nämlich im Nachtgebet (Komplet). So steht es auch in unserem Gesangbuch (EG 786,10). Dort will es sagen: Wir können, wenn der Tag zu Ende geht, unsere Anstrengungen loslassen, mit denen wir versuchen, Christinnen und Christen in der Nachfolge Jesu Christi zu sein. Sie sind, wenn wir schlafen, bei Jesus Christus selbst wohl aufgehoben.

Doch wenn wir am nächsten Morgen erwachen, dann gilt es keineswegs zu sterben. Dann wird – ob wir nun jung oder alt sind – unser Leben in neuer Frische und in Wort und Tat im Lobpreis Jesu Christi aufblühen.


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