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Überraschung. Martin Luthers Auslegung des 1. Gebotes im Großen Katechismus
"Die Kirche" Nr. 39 vom 24. September 2017
„Was heißt einen Gott haben oder was ist Gott? Antwort: Ein Gott heißt das, wozu man sich versehen soll alles Guten und Zuflucht haben in allen Nöten […]. Denn die zwei gehören zuhaufe, Glaube und Gott. Worauf du nun […] dein Herz hängst und verlässt, das ist eigentlich dein Gott“ (Martin Luther zum 1. Gebot im Großen Katechismus).
Luther ist immer für eine Überraschung gut. Hier überrascht er bei der Auslegung des 1. Gebotes mit einer Frage. Warum das? Ein Gebot fragt doch nicht. Es gebietet: „Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“. Da gibt’s doch nichts zu fragen.
Doch Luther hatte ein Gespür dafür, dass man uns nicht befehlen kann, „einen Gott zu haben“. Zu Gott können wir nur in Beziehung treten, indem wir ihm vertrauen. Das aber lässt sich als Regung des Herzens nicht anordnen. Verpufft Gottes Gebot deshalb? Menschen, die nicht an Gott glauben, lassen das vermuten.
Luther rät nicht dazu, solche Menschen mit Gottes Gebot anzudonnern. Er baut ihnen vielmehr eine Brücke, indem er fragt: „Wisst ihr denn, was es heißt, einen ‚Gott‘ zu haben“? „Das müssen wir nicht zu wissen“, antworten Atheisten. „Gott gibt’s doch gar nicht“.
„Irrtum“! – hält Luther entgegen. „Jeder hängt sein Herz an etwas, an das er sich klammert wie an Gott“. Wir Menschen können nicht leben, ohne zu glauben. Nur so gewinnt unser Leben Stabilität.
Glauben an sich aber kann da und dorthin flattern. Menschen glauben immer wieder an das Irrwitzigste. Den Glauben, ohne den kein Mensch leben kann, davor zu bewahren, war Luthers Absicht bei der Auslegung des 1. Gebotes. Sie bleibt bis heute eine Gesprächsvorlage für uns, wenn es gilt, für den Gott, der allein Glauben verdient, einzutreten.