Kategorie: Vorträge
Gott ist die Liebe. Hinführungen zum trinitarischen Verständnis Gottes
Vortrag am 13.10.2018 auf der Johanniterburg in Kühndorf
Die christliche Kirche hat ihr Gottesverständnis im Glauben an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus zur Zeit der Alten Kirche in das Bekenntnis zum trinitarischen, drei-einen Gott einmünden lassen. Dieses Bekenntnis der Synode von Konstantinopel (381), das aufgrund seiner Erstfassung in Nicäa „Nicänisches Glaubensbekenntnis“ heißt, wird heute in den Gottesdiensten hin und wieder bei Festtagen gemeinsam gesprochen. Aber es ist fraglich, ob alle Gemeindeglieder auch verstehen, was sie da bekennen. Dass die christliche Kirche sich in biblischer Sprache zu Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist bekennt, ist zwar allen aus der Eingangsliturgie des Gottesdienstes oder aus den trinitarisch gegliederten Fürbittengebeten vertraut. Wir können jedoch davon ausgehen, dass der Normalfall des Glaubens an Gott in den christlichen Gemeinden der Glaube an den einen Gott ist, der dann auch „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ heißt. Das Bekenntnis der christlichen Kirche, das die ganze weltweite Christenheit eint, aber besagt in seiner traditionellen Fassung, dass der eine Gott „in drei Personen“ existiert.
Das scheint die Vorstellung nahe zu legen, der christliche Glaube richte sich auf drei Personen wie auf drei Götter. So verstehen es z.B. die Muslime. Sie werfen diesem Glauben deshalb einen Rückfall in den Vielgötterglauben vor. Doch das ist ein Missverständnis. Die kirchliche Trinitätslehre ist eine Entfaltung des Verständnisses des Glaubens an den einen Gott, zu der das Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes in Jesus Christus nötigt (Joh. 1,14)! Um das zu verstehen, will ich im Folgenden nicht die traditionelle Trinitätstheologie traktieren und ihre Begrifflichkeit darstellen. Vielmehr soll es darum gehen, Schritt für Schritt den Weg nachzuzeichnen, auf dem Menschen, die an Gott in Jesus Christus glauben, heute zum Bekenntnis des dreieinigen Gottes kommen.
1. Der begegnende Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist
2. Die Menschwerdung Gottes – Grund des „immanent“ trinitarischen Gottesverständnisses
3. Das Person-Geheimnis des trinitarischen Gottes: Gott ist die Liebe
1. Der begegnende Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist
Der christliche Glaube an Gott entsteht durch die Begegnung von Menschen mit Gott. Es ist eine Begegnung, die durch die besondere Geschichte Jesu Christi und Israels möglich wird, welche uns die Bibel mitteilt. Niemand kann sich diese Geschichte ausdenken oder sie erfinden. Wir müssen sie kennen lernen, wenn wir Gott kennen lernen wollen, der selbst als begegnender Gott zu verstehen ist. Das bedeutet: Wer Gott ist, gewinnt hier für uns bestimmte Konturen. Denn wer uns begegnet, macht sich bekannt. Er wird uns zum Gegenüber, zu dem wir unsererseits in Beziehung treten können. „Gestaltlose Nebel begegnen sich nicht“ (Herrmann Hesse). Wenn Gott begegnet, dann gewinnt er also für uns eine bestimmte Kontur. Er hängt nicht wie ein Nebel über der Welt und unserem Leben. Er begegnet uns, indem er sich uns Menschen in unterscheidbaren Akten zuwendet, in einer strukturierten Weise.
Es sind insbesondere drei fundamentale Akte, auf die uns das biblische Zeugnis verweist. Gott begegnet als Schöpfer der Welt und des Menschen. Er begegnet im Menschen Jesus Christus und in der Verheißungsgeschichte Israels. Und er begegnet als immer neu gegenwärtig wirkender Gott, der bei Menschen in der Kraft seines Geistes Glauben weckt und sie zu einem Leben aus Glauben in Liebe und in Hoffnung frei macht. Schon im Neuen Testament finden sich Ansätze dazu, dieses dreifach strukturierte Handeln Gottes dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zuzuschreiben.
Diese Namen für Gott sind in ihrer Beziehung aufeinander einerseits gewissermaßen die Kurzfassung der einen großen Geschichte, die Gott am Anfang der Welt mit der Menschheit begonnen hat und die er einmal mit der Verwirklichung des Reiches Gottes vollenden wird. Andererseits bringt diese Kurzfassung des christlichen Gottesglaubens zum Ausdruck, dass Gott sich auf durchaus zu unterscheidende Weisen auf die Menschenwelt bezieht. Als Vater ruft er die Welt und die Menschheit ins Dasein und bleibt ihr mit seiner Schöpferkraft gegenwärtig. Als Sohn nimmt er selber an der menschlichen Geschichte teil und als Heiliger Geist ist er immer aufs Neue gegenwärtig erfahrbarer und Menschen innerlich berührender Gott. Wer an Gott glaubt, so wie er uns durch das biblische Zeugnis begegnet, wird Gott selbstverständlich in den drei beschriebenen Konkretionen seiner Beziehung auf uns Menschen verstehen. Gott gewinnt für ihn in dreifacher Zuspitzung seines Handelns mit der Welt und an den Menschen Gestalt.
Das Neue Testament hat sich nun aber nicht damit begnügt, nur von einem zu unterscheidenden Handeln Gottes zu reden. Es verwendet vielmehr – wie wir gesehen haben – für Gott als Schöpfer, für Gott, der Mensch geworden ist, und für den Glauben weckenden Gott unterschiedliche Namen. Darin kommt zum Ausdruck, dass das unterschiedliche Handeln Gottes nicht nur uns betrifft, sondern auch für ihn selbst Bedeutung hat. So wie uns Vater, Sohn und Heiliger Geist begegnen, haben sie je ein besonderes Profil. Gemeinsam aber haben diese Namen, dass sie Gott in jedem seiner Profile als personalen Gott verstehen. Bei den Namen des „Vaters“ und des „Sohnes“ leuchtet das unmittelbar ein. Aber auch der Heilige Geist, den das Johannesevangelium „Tröster“ nennt (vgl. Joh 15, 26), ist im Neuen Testament nicht bloß eine Wirkkraft, sondern Gott, der in Beziehung zu uns tritt, der im Gebet angerufen wird und insofern personal zu verstehen ist wie der Vater und der Sohn.
Wenn aber Vater, Sohn und Heiliger Geist jeweils als Person begegnen, dann können wir ihn sicherlich als eine solche Person verstehen, die in verschiedenen Rollen handelt. So wie eine menschliche Person etwa in den Rollen des Vaters oder der Mutter, des Staatsbürgers oder der Staatsbürgerin, des Berufstätigen usw. handelt, so ist es auch mit Gott. Er begegnet uns im Glauben als eine Person, die als Vater die Rolle des Schöpfers, als Sohn die Rolle des Kommens in unsere Welt und als Heiliger Geist die Rolle des den Glauben erweckenden Gottes wahrnimmt.
Wer so an Gott glaubt, der kann sicherlich gewiss sein, am Pulsschlag des biblischen Glaubens an Gott teilzuhaben. Er versteht den einen Gott so, dass er fähig ist, in verschiedenen Hinsichten zu uns in Beziehung zu treten und in jeder seiner Rollen ganz für uns Gott zu sein. Er versteht ihn auch so, dass er fähig ist, uns in jeder seiner Rollen mit einer anderen Seite seines göttlichen Geheimnisses vertraut zu machen. Er ist der souveräne Schöpfer der Welt (Vater). Er ist der mit uns Menschen bis in Leiden und Tod hinein solidarische Gott (Sohn) und der uns belebende, wahres Leben stiftende und Zukunft eröffnende Gott (Geist). In keiner dieser Rollen gerät er für unser glaubendes Verständnis mit sich in Konflikt. Weil er seine Rollen als die eine göttliche Person wahrnimmt, verweisen alle seine Rollen aufeinander. Er kann ganz majestätisch (Schöpfer) und ganz niedrig (Menschgewordener) sein. Er wendet sich der Menschenwelt in universaler Weite (Schöpfer), in geschichtlicher Konkretion (Sohn) und jeden Menschen ganz intim berührend (Geist) zu.
Zu dem, was die alte Trinitätslehre zum Ausdruck bringen wollte, können wir heute demnach durchaus einen Zugang haben, indem wir Gott als eine Person verstehen, die uns in drei Rollen begegnet. Dennoch gibt es einen Grund, der uns nötigt, die Personalität des drei-einen Gottes in den Spuren der Trinitätslehre der Kirche nicht nur als das Rollenspiel einer Person zu verstehen. Dieser Grund ist die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus.
2. Die Menschwerdung Gottes – Grund des „immanent“ trinitarischen Gottesverständnisses
Wie die Aussage „Das Wort ward Fleisch“ (Johannes 1,14) zu verstehen ist, hat in der Alten Kirche zu erbitterten Auseinandersetzungen geführt, die bis heute immer wieder einmal aufflammen. Denn was soll das heißen: Gott ist Mensch geworden? Es sprengt im Grunde unsere Vorstellungskraft. Wir kennen keinen anderen Menschen außer eben Jesus, von dem man etwas Derartiges sagen kann. Zu allen Zeiten hat es deshalb Versuche gegeben hat, das christliche Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes unserem Vorstellungsvermögen anzupassen. So wurde etwa behauptet, Jesus sei gar kein wirklicher Mensch gewesen, sondern nur ein Scheinmensch, in dem Gott sich uns mitgeteilt hat. Oder es wurde vermutet, es sei gar nicht Gott selbst, der hier Mensch wird, sondern nur ein höheres göttliches Geschöpf als der Mensch, das sich mit einem Menschen zu vermischen vermag. Auch heute gibt es nicht wenige Christinnen und Christen, die Jesus nur als einen außergewöhnlichen Menschen mit besonderen göttlichen Gaben verstehen.
Demgegenüber hat das Nicänische Glaubensbekenntnis festgehalten, dass solche Deutungen der Menschwerdung Gottes den Sinn des neutestamentlichen Bekenntnisses zu Jesus als „Gottes Sohn“, als „Christus“ (=„Messias“) und als „Herr“ (in der Bibel eine Bezeichnung für Gott!) nicht treffen. Die Jesus im Neuen Testament zugelegten Hoheitstitel seien deshalb so zu verstehen, dass sich der wahre Gott in der „Fülle der Gottheit“ (Kol 2,9) mit einem wahren, wirklichen Menschen unlöslich verbunden hat und so in die Geschichte von uns Menschen gekommen ist.
Wir können die Begriffe, mit denen das in den Zeiten der Antike einmal ausgedrückt wurde, hier auf sich beruhen lassen. Was gemeint ist, aber können wir als Glaubensaussage auch heute nachvollziehen. In Jesus begegnet uns ein Mensch, mit dem sich Gott auf seine unsichtbare göttliche Weise unlöslich verbunden hat. Diese Verbundenheit ist vor der Welt verborgen. Man bekommt Gott im Menschen Jesus darum nicht gewissermaßen „zu fassen“. Zu seiner Anwesenheit in diesem Menschen gehört, dass er ihn in seiner Menschlichkeit frei gibt. Er wird vorsichtig Mensch, indem er diesen Menschen nicht mit seinem göttlichen Glanze verschlingt. Aber er wird tatsächlich Mensch, indem er sich mit ihm selbst und mit allen seinen Wegen bis zum Tode am Kreuz verbunden hat.
Wenn wir das so sagen, aber reden wir nicht mehr nur von einem verschiedenen Handeln des einen Gottes. Wir sprechen vielmehr von einem Unterschied zwischen Gott und Gott in dem einen Gott. Denn Jesus, den wir als „Sohn Gottes“ bekennen, begegnet uns im Neuen Testament ja in deutlichem Gegenüber zu seinem „Vater“. Er verkündigt diesen Vater. Er ruft ihn im Gebet an. Sein Weg ist über die Bedeutung hinaus, die er für uns hat, deshalb auch als eine Geschichte zwischen Gott und Gott, zwischen Vater und Sohn, zu verstehen. Diese Einsicht wird besonders angesichts des Kreuzestodes des Sohnes Gottes unausweichlich. Denn diesen Tod erleidet nicht nur der Mensch Jesus, sondern auch der mit ihm verbundene Gott. „O große Not! Gott selbst liegt tot. Am Kreuz ist er gestorben“, heißt es ursprünglich in dem Kirchenlied „O Traurigkeit, o Herzeleid“ von Johann Rist (1641). Wenn das aber so wäre, dann wäre das Ende des irdischen Lebens Jesu zugleich das Ende des Lebens Gottes. Dagegen steht die Erfahrung der Auferstehung Jesu Christi, welche das Neue Testament bezeugt. Die Begegnungen mit dem auferstandenen Sohne Gottes wurden hier so verstanden, dass Gott der Vater seinen „Sohn“ vom Tode erweckt habe. Wir müssen deshalb zwischen Gott, der im Menschen Jesus den Tod erleidet, und Gott, der ihn auferweckt, unterscheiden.
In diesem Sinne ist Johann Rists Lied in unserem Gesangbuch auch korrigiert worden. „O große Not! Gott’s Sohn liegt tot“, heißt es jetzt (vgl. EG 80, 2) und hält damit den Horizont für den auferweckenden Vater offen. Was in Kreuz und Auferstehung geschah, lässt sich also nur verstehen, weil uns Gott hier in einer Selbstunterscheidung begegnet. Er begegnet uns als Sohn, der fähig ist, um unsertwillen in weltlicher Ohnmacht, Leiden und Tod das Leben des Menschen Jesus zu teilen. Und er begegnet uns als Vater, der mit der erweckenden Kraft seines schöpferischen göttlichen Lebens die Beziehung auf den Sohn durchhält. Der Glaube ist darum gewiss: Wäre Gott nicht Einer und ein Anderer, dann könnte er weder Mensch werden noch Leiden und Tod eines Menschen auf sich nehmen.
Die Gotteserfahrung, die wir vom Leben, Sterben und Auferwecktwerden Jesu Christi her machen, nötigt darum dazu, schon den ewigen Gott in sich selbst so zu verstehen, wie er uns in der Christusgeschichte in der Zeit begegnet. Das ist der Grund, warum die christliche Trinitätslehre nicht nur von einem dreifachen Handeln Gottes in und an der Welt reden konnte, sondern sog. „immanente“ Trinitätslehre werden musste, nämlich Lehre von der Beziehung zwischen Vater und Sohn, in der Gott schon immer Gott ist. Gott ist keine von uns unendlich unterschiedene, im Grunde einsam in der Transzendenz thronende Gottheit. Er lebt als Vater und Sohn in der gegenseitigen Offenheit füreinander schon immer in Beziehung und ist deshalb zu einer Geschichte mit einem Gegenüber fähig. Darum kann er auch anderen außerhalb seiner selbst an den Möglichkeiten und am Reichtum seiner göttlichen Gemeinschaft Anteil zu geben.
Die alte Kirche hat dieses Anteilgeben als Werk des Heiligen Geistes verstanden, nämlich des Geistes, der in der Beziehung von Vater und Sohn schon immer waltet. Er gehört als Geist der Verbindung zum Leben Gottes. Er sorgt aber zugleich dafür, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn auf uns Menschen ausstrahlt. Er teilt uns die Kraft zur Begegnung, die in dieser Beziehung waltet, mit. Zusammen mit dem Vater und dem Sohn ist er, wie Karl Barth das ausgedrückt hat, in der Intention, Gemeinschaft mit uns haben, „schon im voraus der unsrige“.
Das Bekenntnis zur Gottheit des Heiligen Geistes ist deshalb keine müßige Verkomplizierung des christlichen Gottesverständnisses. Es drückt die Erfahrung aus, die der von Jesus Christus erweckte Glaube schon immer macht, nämlich dass Gott in der Beziehung auf sich zugleich über sich hinaus geht und uns in sein göttliches Leben einbezieht. Er gibt uns im Glauben auf seine göttliche, unsichtbare Weise an den Beziehungen Anteil, in denen er Gott ist. Er bringt sich uns als für uns offenen Gott nahe, der mit uns als Schöpfer, als Mensch unter uns und als Geist eine Geschichte haben kann und hat. Er vermittelt die Gewissheit, dass Gott selbst aus dem Reichtum seiner Möglichkeiten als Vater, Sohn und Heiliger Geist heraus mit jedem Menschen zusammen sein möchte. „Zusammensein mit Gott“ ist darum die Pointe des Glaubens an den trinitarischen Gott für unser Dasein auf der Erde.
3. Das Person-Geheimnis des trinitarischen Gottes: Gott ist die Liebe
Von dieser Beschreibung der Grundzüge des Glaubens an denen trinitarischen Gott her kann nun auch geklärt werden, in welchem Sinne es gerechtfertigt ist, von Vater, Sohn und Heiligem Geist als von „drei Personen“ zu reden. Dass keine absolute Notwendigkeit besteht, diese Terminologie zur verwenden, dürfte nach unserer Beschreibung deutlich geworden sein. Es gibt dementsprechend auch Entfaltungen der Trinitätslehre, die auf diese Terminologie verzichten und nur von „Seinsweisen“ Gottes reden, weil sie beständig das Missverständnis herauf zu beschwören scheint, es handle sich beim trinitarischen Gott um so etwas wie einen „Götterverein“, zu dem sich drei „Personen“ zusammenschließen. Andererseits ist aber auch klar, dass Vater, Sohn und Geist nicht als unpersonale Kräfte des einen Gottes verstanden werden können. Jedem von ihnen kommen Person-Merkmale zu, so dass der Personbegriff gar nicht zu vermeiden ist, wenn wir davon zu reden haben, wer Vater, Sohn und Heiliger Geist ist. Es fragt sich nur, in welchem Sinne das geschieht.
Nach unserem heutigen Verständnis kann eine „Person“ nicht als ein für sich existierendes Einzelwesen („Individuum“) verstanden werden, das bestimmte Eigenschaften wie Vernunft und Freiheit besitzt. Zwar gehören solche Eigenschaften zu einer Person. Wir Menschen können durch den Gebrauch dieser Eigenschaften im Laufe unseres Lebens zu verschiedenen individuellen „Persönlichkeiten“ werden. „Person“ aber sind oder werden wir dadurch nicht. Denn „Personalität“ ist nichts, was wir uns selbst erwerben können. Sie wird uns vielmehr – angefangen bei der Annahme eines Kindes durch die Eltern – in der Beziehung auf andere Menschen von diesen Menschen zuerkannt. Menschen sprechen sich dabei gegenseitig die Würde eines unverwechselbaren und unantastbaren Du zu. Eine Person ist demnach ein schon vor allem Vernunft- und Freiheitsgebrauch anerkannter und bejahter Mensch. Seine Personalität verdankt sich kommunikativen Beziehungen und wird in kommunikativen Zusammenhängen gelebt. Sie ist ein Sozialphänomen, weil das Personsein eines Menschen nicht durch sich selbst begründet wird, sondern durch die soziale Mitwelt. Personsein heißt demnach immer „Mitsein“. Keine Person kann für sich alleine existieren.
Reden wir – unter der Voraussetzung der strikten Unterscheidung von Gott und Mensch – von Vater, Sohn und Heiligem Geist als „Personen“, dann kann mit dem dargestellten „kommunikativen“ Personbegriff ein wesentliches Charakteristikum des dreieinen Gottes zur Sprache kommen. Mehr noch: Es zeigt sich dann aufgrund des trinitarisch-personalen Begegnens Gottes, dass unser menschliches Personsein im Personsein Gottes, unseres Schöpfers, der mit uns zusammen sein will, gründet. Denn Gott begegnet – wie wir gesehen haben – als Vater, Sohn und Heiliger Geist so, dass er schon immer in gegenseitigen Beziehungen aufeinander Gott ist. Sein göttliches Personsein ist Mitsein. Ohne dass der Vater sich auf den Sohn bezieht und der Sohn auf den Vater und beide in der Beziehung auf den Heiligen Geist und des Heiligen Geistes auf sie eine innige Gemeinschaft haben, wäre Gott gar nicht Gott. Es ist darum nicht möglich, eine der trinitarischen Personen von der anderen zu isolieren oder gar in einem hybriden menschlichen Zugriff aus Gott ausscheiden zu wollen. Die drei Personen sind der eine Gott in unablässiger und intensivster Personengemeinschaft.
Der Verdacht des Dreigötterglaubens ist darum unbegründet. Die Personalität Gottes im gegenseitigen Angewiesensein der trinitarischen Personen aufeinander stellt die Einheit Gottes als fortwährende Einigung nicht in Frage, sondern bestätigt sie. Alles, was die trinitarischen Personen sind und tun, vollziehen sie im Angewiesensein aufeinander. Schon die alte Trinitätslehre hat das zum Ausdruck gebracht, indem sie von der gegenseitigen Durchdringung („Perichorese“) der drei (von ihr so genannten) „Seinsweisen“ sprach. Wir können diese Aussage durchaus aufnehmen. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind nur in intensiver Anteilnahme aneinander der eine Gott, so dass wir auch ihr Handeln „nach außen“ als Schöpfer, Versöhner und Erlöser niemals voneinander trennen dürfen. Beim schöpferischen Handeln des Vaters sind der Sohn und der Heilige Geist ebenso dabei wie der Vater und der Heilige Geist das Leiden des Sohnes mitleiden und der Heilige Geist auch Schöpfer- und Versöhnergeist ist. Insofern bestärkt uns jede der trinitarischen Personen im Glauben an den einen Gott.
In diesem Glauben aber kann es beim beschriebenen Verständnis des einen Gottes, der in drei Personen Gott ist, nicht darum gehen, das Geheimnis, in dem er Gott ist, auf allzu menschliche Weise aufzuschlüsseln oder gar denkend sein Zustandekommen zu konstruieren. Wenn die Trinitätslehre der Kirche und heutige Trinitätstheologien den Eindruck erwecken, das tun zu wollen, dann machen sie sich einer Grenzüberschreitung schuldig. Schon unter uns Menschen gilt, dass wir in der Beziehung aufeinander das Person-Geheimnis eines jedes Menschen, in dem er unvertretbar ein besonderer Mensch ist, nur respektieren können und den Versuch unterlassen müssen, ihn dieses Geheimnisses zu entkleiden. Um wieviel mehr gilt das für unsere Beziehung zu Gott. Sein Person-Geheimnis besteht darin, das er in drei Personen der eine Gott ist. Dazu gibt es keine Analogien in der Welt. Dieses Geheimnis können wir uns nur begegnen lassen und es respektieren. Es wird uns damit aber nicht zum dunklen Rätsel. Gott teilt sich uns in den drei Personen ja mit und handelt an uns so, dass wir das Zusammensein mit dem personalen Gott im Glauben als Wohltat und Bereichung unseres Daseins erleben.
Sowohl in der evangelischen wie in der römisch-katholischen Trinitätstheologie der Gegenwart besteht deshalb eine breite Übereinstimmung darin, dass diese Wohltat nicht nur formal mit dem kommunikativen Personbegriff zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die Beziehungen aufeinander, in denen Gott Gott ist, erlauben es vielmehr, das Wesen des trinitarischen Gottes als Liebe zu verstehen. „Gott ist die Liebe“ – diese Aussage von I Joh 4,8 wird darum so interpretiert, dass die Beziehung von Vater und Sohn als liebende Hingabe aneinander verstanden wird. Vater und Sohn sind Liebende und Geliebte, die wechselseitig für den Anderen da sind. In dieser Liebesgemeinschaft ist jeder darauf angewiesen, vom Anderen bestätigt, gehalten und bejaht zu werden. Beim Handeln Gottes in der Geschichte kommt diese Kraft der Liebe zwischen Vater und Sohn am Prägnantesten im Kreuzestode Jesu Christi zum Ausdruck. Der Sohn vermag in der Liebe zum Vater, die auch den Schrei nach ihm einschließt, den Weg in den Tod auf sich zu nehmen und der Vater hält seine Liebe zum Sohn durch, indem er ihn dem Tode entreißt. Die Liebe, die sich sogar der Macht des Todes aussetzen kann, erweist sich darin stärker als der Tod.
Allerdings rechtfertigt das noch nicht die Aussage, dass Gott die Liebe ist, sondern nur die, dass Gott als Vater und Sohn sich gegenseitig liebt. Um das Wesen des trinitarischen Gottes als Liebe zu verstehen, ist es nötig, auf das Werk des Heiligen Geistes zu achten. Er lässt die Liebe, die zwischen Vater und Sohn waltet, nach außen ausstrahlen und bezieht so uns Menschen in das göttliche Liebesgeschehen ein. Die Einbeziehung von liebenden Dritten in eine genuine Zweierbeziehung der Liebe zerstört unter zwei Menschen die Liebe. Die Liebe zwischen Vater und Sohn zielt dagegen darauf, „Dritte“, nämlich uns Menschen, in ihre Liebe einzubeziehen. Gott ist die Liebe, weil sein Lieben niemand ausschließt, sondern in überströmendem Reichtum darauf zielt, alle Menschen an seiner Liebe teilhaben zu lassen. Indem Gott als Vater, Sohn und Geist die Liebe von Ewigkeit her ist und im Glauben so wahrgenommen wird, lebt der Glaube an Gott aus der Unerschöpflichkeit der Liebe und ist damit aller Resignation an den Möglichkeiten der Liebe voraus, welche eine Welt voller Lieblosigkeit auslöst. Menschen können aus der Liebe fallen und das geschieht im Übermaß. Der trinitarische Gott, der die Liebe ist, kann das nicht. Wo immer er begegnet, eröffnet er kraft seines Liebens Wege der Liebe und niemals Wege kalter Übermacht.
Das Verständnis des trinitarischen Gottes als Liebe hat darum weitreichende Konsequenzen für alles, was die Christenheit im Glauben an Gott von Gott bezeugt und im Leben darzustellen trachtet. Denn alles, was sie von Gott sagt und wofür sie eintritt, muss sich, wenn der Gott ihres Glaubens der trinitarische Gott ist, mit seiner Liebe reimen. Dass dies in der Geschichte der christlichen Kirche nur gebrochen der Fall gewesen ist und auch heute nicht einfach selbstverständlich ist, hängt sicherlich damit zusammen, dass sich in ihr immer wieder ein Ein-Gott-Glaube durchgesetzt hat, der die Beziehungen der Liebe, in denen Gott ist und handelt, nicht ernst genommen hat. Wenn wir aber verstanden haben, dass der Gott des christlichen Glaubens die Liebe ist, dann stehen wir vor der Aufgabe, alles, was von Gott (z.B. von seiner Macht, seiner Ewigkeit, seiner Wahrheit und Gerechtigkeit) zu sagen ist, auf die Liebe zu beziehen, die das Leben des ewigen, trinitarischen Gottes ausmacht und sein Handeln in Jesus Christus in Israel und bei uns heute bestimmt.
Die Liebe, die Gott ist, darf deshalb niemals unpersonal als ein Prinzip oder als eine göttlich-gesetzliche Norm verstanden werden. Denn der Glaube an den trinitarischen Gott, der sich der begegnenden Anrede der trinitarischen Personen und insbesondere des Heiligen Geistes verdankt, bringt uns Gott immer als uns anredendes, sich zuwendendes, hingebendes Du nahe. Darum ist er eingeladen, auf die Anrede dieses Gottes mit Worten und Taten selbst zu antworten und das heißt nicht zuletzt: ihn als Vater, Sohn und Heiligen Geist anzurufen (wie wir es ja auch im Gottesdienst tun).
Personales Reden von Gott ohne solche Anrufung des trinitarischen Gottes droht in der Abstraktion von der Geschichte, die er mit uns macht, selbst abstrakt zu werden. Es kann im konkreten, von so viel Anfechtungen des Unglaubens und der Untaten von Menschen angefochtenen Lebens nur in der Anrufung, in der Bitte darum verantwortet werden, dass Gott sich uns und allen Menschen immer wieder als Gott, der die Liebe ist, zuwenden möge. Denn das ist die Gewissheit des Glaubens an den trinitarischen Gott: Alles menschliche Leben hat und gewinnt nur Sinn, Halt und Zusammenhang, wenn es in der Gemeinschaft mit dem trinitarischen Gott aufblüht und an einer Geschichte teilhat, die in Zeit und Ewigkeit Bestand hat.