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21.04.2014 16:28 Alter: 10 yrs
Kategorie: Vorträge

Was begründet die Hoffnung der Christinnen und Christen?

Gesichtspunkte für ein Gespräch


1. Das Wesen der Hoffnung

Als erstes ist zu unterstreichen, dass Aussagen über die Zukunft nach unserem Tode nur Aussagen der Hoffnung sein können. Denn von irgendwelchen Zuständen jenseits der Todesgrenze können wir Menschen gar nichts wissen. Wenn wir dennoch von dieser Zukunft reden, dann verdankt sich das dem Glauben und damit auch der Hoffnung, die von der Begegnung mit Jesus Christus ausgelöst werden. Hoffnungsaussagen aber sind keine Protokolle beweisbarer Zustände. Denn die Hoffnung richtet sich auf die Zukunft, die noch gar nicht eingetreten ist, die also niemand aufgrund eigener Anschauung beschreiben kann.

Das gilt nicht nur für die christliche Hoffnung auf Gott über den Tod hinaus. Das gilt für jede Hoffnung. Sie richtet sich auf etwas, was wir ganz und gar nicht in der Hand haben. Wir hoffen, dass das Glück uns hold ist, dass wir gesund bleiben, dass unsere Kinder gedeihen, obwohl wir z.B. ganz und gar nicht wissen können, was sich im Jahre 2020 in unserem Leben ereignet. Mit dieser Hoffnung gehen wir gegen die Angst an, die uns im Blick auf die Zukunft angesichts der Unberechenbarkeit von Menschen, von bedrohlichen Naturgewalten oder der Verletzlichkeit unseres Lebens ergreifen kann. Hoffnung ist darum eine Quelle des Lebensmutes. Sie ist lebenswichtig, obwohl wir nicht beweisen können, worauf wir hoffen.

Hoffnung ist darum nicht dasselbe wie die Erwartung, die wir aufgrund von Erfahrungen in der Gegenwart berechtigter Weise für die Zukunft haben können. Denn mit Erwartungen stellen wir uns planend und vorsorgend auf die Zukunft ein. Wir rechnen sie hoch und können sie beeinflussen. Wir haben sie also in gewisser Weise in der Hand. Was wir hoffen, hoffen wir dagegen sogar gegen unsere Hochrechnungen der Zukunft, wie z.B. dass die Klimakatastrophe nicht eintreten möchte.

Was nun die Hoffnung auf unsere Auferstehung und das ewige Leben betrifft, so ist ganz klar, dass sie keine Erwartung sein kann, die wir auf Grund von Erfahrungen mit unserem begrenzten Leben haben können. Was Alle von uns zu erwarten haben, ist der Tod. Unsere Lebensuhr läuft unausweichlich ab. Und: „Wer einmal tot da liegt, wird nicht mehr lebendig“, heißt im Liede „In dem Teutoburger Walde...“. Wenn es für uns eine Perspektive über den Tod hinaus geben soll, dann kann das also nur eine Perspektive der Hoffnung sein, die sich gegen alle unsere Erwartungen mit unserem Todesgeschick nicht abfindet.

Eine solche Perspektive aber ist mit dem christlichen Glauben an Gott unausweichlich verbunden. Denn Gott hört, so wie wir in unserem Leben an ihn glauben, für uns nicht auf, Gott zu sein, wenn wir sterben. Er ist ewig und nicht zeitlich-vergänglich wie wir. Wir hoffen darum, dass er mit seinem ewigen Leben für uns eintritt, wenn wir dem Tode ausgeliefert sind. Wir hoffen, dass Gott in der Kraft seiner Ewigkeit für uns da sein wird, wenn der Tod nach uns greift. Wir hoffen, dass er uns nicht fallen lassen wird, wenn wir am Ende sind. Das ist die Hoffnung, die Jesus Christus in der Christenheit verankert hat.

 

2. Jesus Christus – Grund der Hoffnung

An sich ist es nicht zwangläufig so, dass mit dem Glauben an Gott auch die Hoffnung verbunden ist, dass er in unserem Tode mit seiner Ewigkeit für uns eintritt. Es gibt in der Religionsgeschichte Gottesvorstellungen, nach denen Gott nur mit unserem irdischen Leben zu tun hat. Selbst im Alten Testament ist das so. Der Gott Israels ist ein Gott für dieses Leben. Mit dem Tode ist auch der Kontakt von Menschen mit Gott zu Ende. Darum heißt es Psalm 115, 17: „Die Toten preisen den Herrn nicht, keiner von allen, die zur Stille hinabgefahren sind“. Alle Aussagen, die im Alten Testament von der Errettung vor dem Tode durch Gott reden, meinen die Errettung vor dem frühen, unzeitigen Tod durch Krankheit, Krieg oder Unfall. Nur am Rande des Alten Testaments, im Buche Daniel, taucht die Vision von einer Auferstehung der Toten auf. Im Zeugnis des Neuen Testaments aber steht die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten im Zentrum.

Der Grund dafür ist klar. Er besteht darin, dass Jesus Christus als vom Tode Auferstandener erfahren wurde. Diese Erfahrung ist in der ersten Christenheit sofort so verstanden worden, dass Jesus Christus der „Erste“ von Allen ist, die Gott vom Tode auferwecken wird (1. Korinther 15, 20). Darum gehört zum Glauben an Jesus Christus unmittelbar die Hoffnung darauf, dass wir wie er vom Tode auferweckt werden, ihm gleich sein werden, sagt Paulus in Römer 6, 5. Um den unlöslichen Zusammenhang des Glaubens an Jesus Christus mit dieser Hoffnung zu verstehen, ist es nötig, uns zu verdeutlichen, was „Auferstehung“ hier eigentlich bedeutet.

Es handelt sich jedenfalls nicht um die Rückkehr eines Toten in das irdische Leben, wie das etwa beim auferweckten Lazarus oder bei Jairi Töchterlein der Fall ist. Die mussten am Ende ja doch sterben und können nicht eine Hoffnung begründen, wie die Erscheinungen des auferstandenen Jesus. Dabei begegnete Jesus den Auferstehungszeugen in einer gänzlich neuen, verwandelten und unverfügbaren Gestalt. Er ist „verklärt“ worden, sagt das Johannesevangelium (vgl. Johannes 12, 23). Er ist „erhöht“, kann es auch heißen (Philipper 2,9). Er gehört nicht mehr in diese Zeit. Die Auferstehungszeugen haben den auferstandenen Jesus darum als Repräsentanten der Endzeit, des Reiches Gottes, für die ganze Welt verstanden. In ihm ist die Zukunft, die Gott allen Menschen schenken will, jetzt schon Ereignis. Er richtet die, die an ihn glauben, darum sofort auf die Auferstehung aller Menschen aus. „Hoffen wir alleine in diesem Leben auf Christus, so sind wir die Elendesten unter allen Menschen“, sagt Paulus darum pointiert (1. Korinther 15, 19). Ohne die Hoffnung, dass Gott auch uns vom Tode erwecken werde, kann der Glaube an diesen Jesus Christus darum nicht sein. 

Doch was erhoffen wir damit eigentlich für ein Leben, wenn gilt, dass uns der Blick über die Todesgrenze hinaus verwehrt ist?

 

3. Nicht Verlängerung – Verwandlung des Lebens

Was Auferstehung bedeutet, erfahren Christinnen und Christen täglich, indem ihnen das Leben und Sterben Jesu Christi als sie lebendig berührendes Geschehen begegnet. Nicht ein vom Tode besiegter Mensch begegnet ihnen da, sondern ein Mensch, der uns mit seinem Leben und Sterben in der Kraft der Ewigkeit Gottes nahe kommt. Dieses sein Leben und Sterben, das von Gottes Ewigkeit umfangen ist, ist deshalb für unsere Hoffnung das Lesebuch unseres eigenen ewigen Lebens, auf das wir hoffen.

In diesem Lesebuch steht aber nicht, dass das ewige Leben sei eine ewige Verlängerung des irdischen Lebens auf anderer Ebene. Das ist ja auch eher eine schreckliche Vorstellung. Im Liede „O Ewigkeit, o Donnerwort“, das nicht mehr in unserem Gesangbuch steht, hieß es angesichts dieser Vorstellung eines endlosen Lebens darum: „O Ewigkeit, du machst mir bang/ o ewig ewig ist zu lang“. Doch Gottes Ewigkeit wird in der Bibel nirgendwo als endlose Erstreckung der Zeit, sondern als die Konzentration, Fülle und Einheit der Zeit verstanden, in der 1000 Jahre wie ein Tag sind. Wen Gott verewigt, wie er das mit dem Menschen Jesus getan hat, dessen zeitliches Leben wird in ein ewiges, für uns selbst immer neu staunenswertes und überraschendes Ereignis verwandelt.

Um das zu verstehen, müssen wir uns von der Vorstellung frei machen, bei der erhofften Auferstehung der Toten handele es sich um eine Wiederbelebung der materiellen Bestandteile unseres Daseins in einer jenseitigen Sphäre. Die ursprüngliche Fassung des apostolischen Glaubensbekenntnisses hat dieses Missverständnis leider befördert. Denn sie redet vom Glauben an unsere Auferstehung des „Fleisches“. Unsere heutige Fassung des apostolischen Glaubensbekenntnisses jedoch korrigiert dieses Missverständnis mit Recht. Sie spricht von der „Auferstehung der Toten“ unter der Voraussetzung, dass es das Geschick des „Fleisches“ ist, zu sterben. Auch der auferstandene Jesus Christus kehrt nicht in das sterbliche „Fleisch“ zurück.

Es ist nicht ganz einfach, aufgrund der legendenhaft ausgeschmückten verschiedenen Berichte des Neuen Testaments von seinen „Erscheinungen“ seine neue Lebensform zu beschreiben. Auf der einen Seite gehört eine Beziehung auf sein „Fleisch“, in dem er Menschen zu seinen Lebzeiten auf der Erde begegnet ist, zu dieser Lebensform. Darum können die Auferstehungszeugen ihn auch wiedererkennen. Auf der anderen Seite ist er deutlich nicht mehr an die Grenzen der Materie gebunden. Er begegnet in einer Art und Weise, welche diese Grenzen gänzlich sprengt. Als er Paulus erschien, war er für ihn nur in einem glänzenden Licht wahrzunehmen, aus dem heraus seine Stimme ertönte (vgl. Apostelgeschichte 9, 3-9; 22, 6-11).

Paulus hat sich wohl nicht zuletzt deshalb auch unser ewiges Leben so vorgestellt, dass wir einen „Geist-Leib“ (1. Korinther 15, 44) haben werden. Das bedeutet einerseits: Wir werden ganz vom ewigen Geist Gottes verwandelt und durchwaltet sein. Aber andererseits werden wir einen „Leib“ haben. „Leib“ ist in der Sprache des Paulus aber etwas anderes als „Fleisch“. „Leib“ sind wir Menschen, die als Personen in Beziehungen leben, einen Raum des Lebens einnehmen. Als „Geist-Leib“ werden also die Auferstandenen nicht nebelhafte, sich verflüchtigende Wesen sein. Denn wer in Beziehungen lebt, vermag ein Gegenüber zu sein: Für Gott, aber auch für andere Menschen.

Auf die Auferstehung vom Tode und das ewige Leben zu hoffen, bedeutet demnach, auf die Verewigung unseres gelebten Lebens durch Gott zu hoffen, durch die unser zeitliches Leben kraft des ewigen Geistes Gottes eine neue Gestalt erhalten wird.

 

4. Unsterbliche Seele?

Die Verwandlung unseres irdischen Lebens in eine Form des „Geistes“ scheint einer Vorstellung nahe zu kommen, die sich die christliche Kirche in der Welt der Antike angeeignet hat. Das ist die Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele. Platon verstand den Menschen als Wesen, das aus einem sterblichen Körper und einer unsterblichen Seele zusammengesetzt ist. Im Tode stirbt demnach nur der Körper. Die Seele aber lebt weiter im Genuss einer göttlichen Welt. Die römisch-katholische Kirche hat diese Vorstellung 1336 zum Dogma erhoben. Aber auch in den protestantischen Kirchen wurde gelehrt, dass die Seele den Tod überlebt. Sie ist – je nachdem, wie ein Mensch gelebt hat – in einem seligen oder unseligen Zustand. Bei der Auferweckung der Toten aber wird sie wieder mit einem Körper zusammengefügt.

Doch das Verständnis des Todes, das hier zu Grunde liegt, ist unbiblisch. In alt- und neutestamentlicher Sicht stirbt der ganze Mensch als Seele und Körper. Das gilt auch vom Menschen Jesus. Das Neue Testament gibt nirgendwo Anlass zu der Anschauung, dieser Mensch habe den Tod am Kreuz teilweise überlebt. Wenn er aber nach seinem Tode als Lebendiger begegnet, dann verdankt sich das völlig dem auferweckenden und verwandelnden Handeln Gottes, des Vaters. Dementsprechend bleiben auch wir völlig darauf angewiesen, was der ewige Gott aus uns machen wird. Ewig und unsterblich ist allein das, was Gott seinen Geschöpfen über den Tod hinaus gewährt und schenkt.

Dennoch kann der Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele eine gewisse Berechtigung zugestanden werden. Denn in unserer Seele ist das ganze Leben, das wir geführt haben und führen, bewusst und unbewusst konzentriert. Indem wir auf den ewigen Gott hoffen, vertrauen wir darauf, dass Gott dieses in unserer Seele konzentrierte Leben nicht der Vernichtung anheim geben wird. Wir hoffen darauf, dass Gott auch in unserem Tode für unser unverwechselbares Leben eintritt. Martin Luther hat das so ausgedrückt, dass die, mit denen Gott nicht aufhört zu reden, wahrhaft unsterblich seien. Die Vorstellung von einer unsterblichen Seele als solche ist zwar fragwürdig. Wenn sie aber in die Hoffnung eingebettet ist, dass Gott unserem in der Seele konzentrierten Leben „Unsterblichkeit“ verleihen wird, kann sie ein wichtiges Anliegen dieser Hoffnung unterstreichen

 

5.  Das Gericht

Gegen eine derartige Hoffnung der Verewigung unseres ganzen gelebten Lebens erhebt sich jedoch ein Einwand. Denn dass unser ganzes gelebtes Leben verewigt wird, ist eher ein Anlass zur Besorgnis als zur Hoffnung. Zu unserem ganzen Leben gehören leider auch unsere Untaten und viel Leiden. Wir können im Grunde nicht hoffen, dass dies Alles „verewigt“ wird. Dieser Einwand ist zu akzeptieren. Sünde, Untaten und Leiden gehören nicht in Gottes Ewigkeit. Die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten und das ewige Leben ist darum im Neuen Testament unlöslich mit der Perspektive verbunden, dass der Übergang in das ewige Leben mit dem Gericht Jesu Christi über unser Leben verbunden sein wird.

Mit dieser Perspektive ist im Neuen Testament, aber auch in der Lehre der Kirche eine problematische Zuspitzung verbunden. Dieses Gericht wurde nämlich so verstanden, dass Gott nur denen das ewige Leben schenkt, die wahrhaft an ihn geglaubt und nach seinen Geboten gelebt haben. Die anderen werden zu ewiger Qual in die Hölle verdammt. „Da wird er sie scheiden, seine Reiches Freuden, erben dann die Frommen, doch die Bösen kommen, dahin wo sie müssen, ihr Untugend büßen“, heißt es im Adventslied „Gottes Sohn ist kommen“. Sie werden in Ewigkeit gequält.

Ich halte diese Lehre vom sog. „doppelten Ausgang“ des Gerichtes für einen Widerspruch zum Geist Jesu Christi. Es ist zwar richtig, dass Jesus denen ein solches Gericht, in dem „Heulen und Zähneklappen“ sein wird, verkündet hat, die den Willen Gottes nicht tun. Aber es ist noch viel mehr richtig, dass er selber am Ende in der Situation dieses Heulens und Zähneklappens gestanden hat und so zur Hoffnung für die wurde, die sich an Gott und den Menschen vergangen haben. Die kirchliche Lehre vom „doppelten Ausgang“ des Gerichts muss deshalb korrigiert werden muss. Wer an Jesus Christus glaubt, kann nicht darauf hoffen, dass sündige Menschen ewig gequält werden, schon gar nicht angesichts dessen, dass er selber ein sündiger Mensch ist. Er kann nur darauf hoffen, dass gerade der Richter Jesus Christus im Leben jedes Menschen die ewigkeitswürdigen Seiten im Leben jedes Menschen von denen scheiden wird, die nicht „verewigt“ werden können.

Das Gericht, dem wir entgegen gehen, hat darum für die Hoffnung der Christenheit die Gestalt eines reinigenden Gerichts, das unser Leben von allen Dunkelheiten befreit. In diesem Verständnis der Hoffnung gibt es heute sogar eine Annäherung der evangelischen Theologie zur römisch-katholischen Lehre vom Fegefeuer. Diese Lehre ist zwar in ihrer traditionellen Gestalt eine willkürliche Erfindung. Denn sie postuliert ein Gericht vor dem Gericht Jesu Christi, dass sündige Menschen für den Richtstuhl Christi präparieren soll. Aber katholische Theologen interpretieren diese Lehre heute so, dass sie das Wesen des Gerichtes Jesu Christi zu beschreiben versucht. Das aber besteht darin, all das Böse und Furchtbare aus unserem Leben zu tilgen, um uns selbst in die Klarheit des ewigen Lebens zu führen.

 

6. Der Frieden des ewigen Lebens

1. Gemeinschaft mit Gott

Das ewige Leben erhoffen wir als ein Leben in der durch nichts und niemand gehinderten Gemeinschaft mit Gott. Im Unterschied zum Glauben in dieser Welt werden wir Gott schauen (vgl. II Kor 5,7; II Kor 13,12ff.). Das bedeutet: Gott wird uns in den verwandelten Grenzen des Irdischen ganz gegenwärtig sein. Das Geheimnis seiner Göttlichkeit wird dann kein Hindernis mehr für die Gemeinschaft mit ihm darstellen. Gott ist uns dann zutiefst vertraut und nahe. Im Schauen Gottes ist das ewige Leben ein von Gott durch und durch bewegtes Leben.

2. Frieden mit uns selbst

Im ewigen Leben werden wir vollkommen mit uns selbst in Frieden leben. Die Entfremdung und Zerrissenheit unserer selbst wird es nicht mehr geben. Wir können mit uns ganz einverstanden sein. Wir werden uns nicht darüber kränken, dass wir nicht Gott, sondern bloß Menschen sind. Es wird wunderbar sein, nichts als Menschen sein. Die Lust zur Sünde ist vorbei. Das ewige Leben wird darum in unserer Selbsterfahrung eine immer wieder neue Steigerung des Lebensgefühls sein, das im unverfälschten Lobe Gottes seinen Ausdruck findet.

3. Vollkommene Gemeinschaft von Menschen

Das ewige Leben ist kein von den anderen verewigten Menschen isoliertes Leben. Es ist ein Leben in Gemeinschaft. Unsere Hoffnung beantwortet die Frage, ob wir die Menschen „wieder sehen“, die in unserem Leben Bedeutung hatten, darum mit einem „Ja“. Sie hütet sich freilich, dieses Ja mit Wunschträumen und Phantasien willkürlich aufzufüllen. Wir dürfen aber, weil Jesus Christus gerade im ewigen Leben in Gemeinschaft mit den verewigten Menschen lebt, auch darauf hoffen, dass wir in einer vollkommenen Gemeinschaft leben werden. Jeder Mensch kann dann mit jedem Menschen einverstanden sein und sich seiner freuen. Hass und Feindschaft wird es nicht mehr geben. Wir können voreinander offenbar sein, ohne uns zu schämen und zu verbergen. Die Mahlgemeinschaft mit Jesus Christus ist heute schon der Vorschein solcher Gemeinschaft. Sie ist geprägt von der Liebe, die niemals aufhört  (vgl. I Korinther 13, 8).

Das alles sind – um es noch einmal zu unterstreichen – Aussagen der Hoffnung und keine Protokolle des Jenseits. Sie sind begründet im Glauben an Jesus Christus. In diesem Glauben gibt es aber immer wieder Augenblicke, in denen der Frieden der Ewigkeit als Frieden mit Gott, mit uns selbst und unseren Mitmenschen jetzt schon spürbar wird. Insofern entspringen die Hoffnungsaussagen über den Frieden des ewigen Lebens auch den Erfahrungen, die wir als in der Gemeinschaft mit Jesus Christus schon machen. Sie machen uns Mut, auf unseren Tod als „höchstes Fest auf dem Wege der Freiheit“ zuzugehen (Dietrich Bonhoeffer).  

 

7. Auferstehung im Tode

Eine Hoffnungsaussage wie die von Bonhoeffer geht davon aus, dass Gott uns das ewige Leben schenken wird, wenn er in unserem Tode für uns da ist. Das scheint ein Widerspruch dazu zu sein, dass die neutestamentliche Hoffnung die universale Perspektive der Vollendung der ganzen Welt hat. Das ewige Leben kann deshalb nicht als Privatangelegenheit für lauter einzelne Menschen verstanden werden, die zu unterschiedlichen Zeiten sterben. Es gehört zur Vollendung der Welt im Reiche Gottes. Darum hat sich die Frage gestellt, was mit den vielen Menschen geschieht, die schon vor dem Anbruch des Reiches Gottes sterben. „Schlafen“ sie gleichsam? Sind sie in einem „Zwischenzustand“? Sind sie bis zum Anbruch des Reiches Gottes in Gottes „Gedächtnis“ aufbewahrt?

Auch hier weist uns der Blick auf den auferstandenen Jesus Christus den Weg zur Antwort. Er hat keine vorläufige, sondern eine endgültige Existenzform bekommen, als Gott ihn vom Tode erweckte. Dementsprechend hoffen auch wir darauf, dass Gott im Tode für uns da sein und uns verwandeln wird. Wenn das aber geschieht, sind wir nicht mehr an den Zeitablauf gebunden. In Gottes Ewigkeit sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht mehr getrennt. Was für die ganze Welt Zukunft ist, ist dann für die verewigten Menschen schon Gegenwart. Erweckt uns der ewige Gott zum Leben, dann wird das für uns der Eintritt in dieses Reich sein, das allen Menschen verheißen ist.

 

7. Wir werden alles verstehen

Wer auf seinen Tod zugeht, indem er dabei auf das ewige Leben hofft, muss den Tod nicht verdrängen, wie das in unserer von Wissenschaft, Technik und Konsum geprägten Zeit massenhaft der Fall ist. Diese Verdrängung führt dazu, dass Menschen maßlos mit sich selbst und anderen Menschen umgehen. Indem sie so tun, als seien unsterblich und grenzenlos, traktieren sie sich und andere mit maßlosen Taten. Es wird vergessen, dass sterbliche Menschen verletzliche Wesen sind. Die Hoffnung, die den Tod nicht verdrängt, ist darum eine starke Anwältin eines realistischen Menschenverständnisses und eines wahrhaft humanen Verhaltens.

Die Hoffnung ist auf der anderen Seite aber auch ein Fels inmitten der Sinnkrise, welche in unserer Gesellschaft wuchert, weil Menschen für ihr Leben kein Ziel und keinen Zusammenhang, in den sie gehören, zu erkennen vermögen. Wer dagegen hofft, versteht sein Leben als Profilierung für die Ewigkeit. Alles, was wir tun und unterlassen, kann so verstanden werden, dass es unser besonderes Leben in die Ewigkeit einzeichnet, in die Gott uns aufnehmen wird. Es profiliert den Namen, bei dem Gott uns rufen wird, wenn wir sterben. Dass wir uns dabei auch verlieren können und am Ende gar nicht mehr wissen, wer wir sind ist wohl wahr. Darum freuen sich Christinnen und Christen auf Christi Gericht, in dem sie – mit Paulus geredet – „von einer Klarheit zur anderen verwandelt“ werden (2. Korinther 3, 18). „Dann werden wir alles verstehen“, heißt es Fjodor Dostojewki Roman „Raskolnikow“, der auch unter dem Titel „Schuld und Sühne“ bekannt ist.

Ich will schließen, indem ich die Passage zitiere, in der Dostojewski einen verkommenen Menschen das Weltgericht schildern lässt. Marmeladow heißt dieser Mensch. Es ist ein Trunkenbold, der ein fürchterliches Leben mit seiner Frau Katharina Iwanowna führt, der seine Tochter, Sonja, auf den Strich schickt und das Geld, das sie anschafft, versäuft. Er redet aus der Position eines Menschen, dessen Leben bestimmt keine Profilierung für die Ewigkeit war und der doch vom Wesen der christlichen Hoffnung sehr viel sagt.

„Meinst du, Schankwirt“, sagt Marmeladow also in einer Kneipe sitzend, "dass deine Flasche Schnaps mir ein Genuss war? Leid, Leid habe ich auf ihrem Grunde gesucht, Leid und Tränen, und die habe ich gefunden und gekostet; Mitleid aber wird mit uns der haben, der mit allen Mitleid hat und alle und alles versteht, er, der Einzige, er wird Richter sein. Er wird an jenem Tage kommen und fragen: 'Wo ist die Tochter, die sich um der bösen, schwindsüchtigen Stiefmutter und der fremden Kinderchen willen zum Opfer gebracht hat? Wo ist die Tochter, die mit ihrem irdischen Vater, einem verkommenen Trunkenbolde Mitleid hatte, ohne vor seiner Verrohung zu erschrecken?' Und er wird sagen: 'Komm her zu mir! Ich habe dir schon damals vergeben ... dir schon damals vergeben. […]. Und alle wird er richten und allen vergeben, den Guten und den Bösen, den Weisen und den Einfältigen [...]. Und wenn er dann mit allen fertig sein wird, dann wird er auch zu uns sprechen: 'Kommt her', wird er sagen, 'auch ihr! Kommt her, ihr Säufer, kommt her, ihr Willensschwachen, kommt her, ihr Schamlosen'. Und wir werden alle kommen, ohne Scheu, und vor ihn hintreten. Und er wird sagen: 'Schweine seid ihr, Ebenbilder des Viehes; aber kommt auch ihr zu mir!' Da werden die Weisen und Klugen sprechen: 'Herr, warum nimmst du diese auf?' Und er wird sagen: 'Darum nehme ich sie auf, ihr Weisen, darum nehme ich sie auf, ihr Klugen, weil auch nicht einer von ihnen sich dessen selbst für würdig gehalten hat ...' Und er wird uns seine Hände entgegenstrecken, und wir werden vor ihm niederfallen ... und werden weinen ... und werden alles verstehen! Dann werden wir alles verstehen'... und alle werden es verstehen, ... auch Katharina Iwanowna, ... auch die wird es verstehen! ... Herr, dein Reich komme!“


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