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17.10.2012 00:00 Alter: 12 yrs
Kategorie: Vorträge

Das Profil des Heidelberger Katechismus

Vortrag im Pfarrkonvent Cottbus am 17.10.2012


I.  Grundsätzliches

1. Der Heidelberger Katechismus gehört wie die Lutherischen Bekenntnisschriften zu den Bekenntnisgrundlagen unserer Kirche, d.h.: wer im Dienst unserer Kirche steht, ist verpflichtet, seine Verkündigung und seine Praxis auch an diesem Katechismus zu orientieren.

2. Diese Orientierung steht im evangelischen Sinne unter der Maßgabe, dass kirchliche Bekenntnisse nicht „Norm“ der kirchlichen Verkündigung und Praxis sind, sondern auf die„Norm“ des Zeugnisses der Schrift hinweisen wollen, an denen sie selbst gemessen werden müssen und gegebenenfalls zu korrigieren sind.
2.1. Der Heidelberger Katechismus bietet selbst leider keine Lehre von der Schrift als WortGottes, sondern stellt seine Schriftgemäßheit durch ausführliche Verweise auf Schriftstellen unter Beweis.
2.2. Er ist Bibelauslegung, ohne über Grundsätze und Methode dieser Auslegung Rechenschaft zu geben.
2.3. Berufung auf die Schrift steht aber unter der Bedingung des Verständnisses der Texte der Schrift in wechselnden Zeiten, so dass die Orientierung an den Bekenntnissen der Kirche heute notwendig zum Gespräch über die gegenwärtige Schriftauslegung und ihren Bezug auf die neuzeitliche Wirklichkeitserfahrung werden muss.

3. Der Heidelberger Katechismus ist historisch gesehen das Bekenntnis der refomierten Kon-fessionskirchen, das – vorbereitet durch die die Barmer Theologische Erklärung von 1934 – auf Grund der Leuenberger Konkordie von 1973 heute für die „volle Kirchengemeinschaft“ von lutherischen und reformierten Kirchen in Anspruch genommen werden kann.
3.1. Dieses Bekenntnis hat die hauptsächlichen Streitpunkte zwischen der lutherischen und der reformierten Kirche (Christologie, Abendmahl, keine „doppelte“ Prädestination) ausgesprochen klein gehalten und so zur ökumenischen Verständigung eingeladen.
3.2. Die scharfe Abgrenzung gegen die römische Messe als „verfluchteAbgötterei“ in Frage 80 ist auf kurfürstliche Veranlassung eingefügt worden und widerspricht dem Geist des Bekenntnisses, das sich ansonsten mit Verdammungsurteilen abweichender Lehrmeinungen zurück hält.

4. Wenn wir uns 2013 des 450jährigen Jubiläums des Heidelberger Katechismus erinnern, dann tun wir das am Besten so, dass wir ihn positiv als Anstoß verstehen, uns auf die Fragen einlassen, die der christliche Glaube schon immer wach ruft und die sich heute neu stellen.

II.  Die Struktur des Heidelberger Katechismus

 1: Der einzige Trost im Leben und Sterben: Jesus Christus und der Heilige Geist in Einheit mit dem Schöpfer.

Teil 1: Von des Menschen Elend (Fr. 3-11)

3-5:  Erkenntnis des Elends aus dem Gesetz Gottes
6-9:  Der Mensch als Ebenbild Gott und der Sündenfall
10-11: Der Zorn und die Gerechtigkeit Gottes

 Teil 2: Von des Menschen Erlösung (Fr.12-85)

12-20: Von der Notwendigkeit der Erlösung aller Menschen durch Jesus Christus
21-25: Der Glaube und das apostolische Glaubensbekenntnis
26-28: Von Gott, dem Vater: Die Schöpfung und die Vorsehung
29-52: Von Gott, dem Sohn
29-34: Jesus, der Sohn Gottes, der „Seligmacher“, der Gesalbte, der Herr
35-36: Die Jungfrauengeburt
37-44: Jesu Christi Leiden und Sterben
45-52: Jesu Christi Auferstehung, Himmelfahrt und Wiederkunft
53-64: Von Gott, dem Heiligen Geist
53-56: Die Gemeinschaft der Heiligen und die Vergebung der Sünden
57-58: Die Auferstehung des „Fleisches“
59-64: Die Rechtfertigung aus Glauben
65-68: Von den heiligen Sakramenten
69-74: Von der heiligen Taufe
75-85: Vom heiligen Abendmahl Jesu Christi

 

 

Teil 3: Von der Dankbarkeit (Fr. 86-129)

86-91: Von den guten Werken und der Buße
92-115: Der Dekalog (nach biblischer Zählung mit Bilderverbot)
116-118: Das „vornehmste Stück der Dankbarkeit“: Das Gebet
119-129: Das Vaterunser

III. Die Theologie des Heidelberger Katechismus

1. Der Heidelberger Katechismus versteht sich als existenziell akzentuierte Unterweisung der
Gemeinde.
1.1. Obwohl der Heidelberger Katechismus „dogmatische“ Einsichten gebraucht, zielt er durchgehend auf den „Trost“ und auf den „Nutzen“, den der Glaube an Jesus Christus für das Leben eines Menschen hat.
1.2. Das Grundmuster seiner Argumentation ist: Die Situation von Menschen in der Sünde, die Befreiung von der Sünde und die dankbare Antwort der Glaubenden auf Gottes Befreiungstat in Jesus Christus im Handeln und im Beten.

2. Der Trost und Nutzen des christlichen Glaubens wird in einer durchgehend christozentrischen Orientierung dargelegt.
2.1. Auch das Handeln des Schöpfers und Erhalters der Welt wird so verstanden, dass es „um seines Sohnes Christus willen“ (Fr. 26)  uns zugute geschieht.
2.2. Der Heidelberger Katechismus enthält sich aller „natürlichen Theologie“.

3. Die christozentrische Orientierung des Heidelberger Katechismus ist ganz bestimmt vom Verständnis des Kreuzestodes Jesu Christi als „Opfer“ für unsere Sünden.
3.1. Fr. 12-20 rezipiert die Sühnopfertheorie des Anselm von Canterbury. Von daher wird durchgehend auf den Trost verwiesen, der darin liegt, dass Jesus Christus mit seinem Opfertod für unsere Sünden das „bezahlt“ habe, was die Gerechtigkeit des zornigen Gottes fordert.
3.2. Freiheit von der Sünde, d.h. ein Leben in der Gewissheit, „als hätte ich nie eine Sünde begangen noch gehabt“ (Fr. 60), wird so zur Ausgangsbasis eines christlichen Lebens.

4. Da diese Ausgangsbasis nur im Glauben an Jesus Christus (d.h. in seiner Erkenntnis und im Vertrauen zu ihm, Fr. 21) gegeben ist, muss sie durch die Predigt des Evangeliums kraft des Wirkens des Heiligen Geistes immer noch sündigen Menschen im dynamischen Horizont der Wiederkunft Jesu Christi (Fr.52) und der Hoffnung auf sein Reich (Fr. 123) erschlossen werden.
4.1. Bei dieser Predigt ist dem Heidelberger Katechismus ein „theologischer Betriebsunfall“(K. Barth) unterlaufen, indem nur der „göttlichen“ und nicht der „menschlichen Natur“ Jesu Christi ein Gegenwärtigwerden zugesprochen wird (Fr. 47-49).
4.2. Die „Höllenfahrt“ Jesu Christi wird im Unterschied zu lutherischen Lehre nur als Erleiden von „Angst und Pein“ gedeutet (Fr. 44).

5. Die „Sakramente“ werden vom Heidelberger Katechismus als „Wahrzeichen und Siegel“ zum besseren Verstehen des Evangeliums interpretiert (Fr. 66).
5.1. Sie bestätigen, was allein Christus für uns getan hat, durch eine sinnliche Handlung.
5.2. Per analogiam gilt: Das Taufwasser wie die „Elemente“ des Abendmahls versichern uns, dass Christi Leib und Blut uns von der Sünde frei gemacht hat.

6. Die Lehre von der Dankbarkeit in „guten Werken“, wie sie der Dekalog fordert, und im Beten, wie es im Vaterunser konzentriert ist, bringt die Dynamik zum Ausdruck, in welcher der Glaube an Jesus Christus Menschen leben lässt. 6.1. Die lutherische Streitfrage, ob „gute Werke“ „schädlich zu Seligkeit“ sein können (N. von Amsdorf) oder nicht, stellt sich hier nicht. 6.2. Gott mit dem eigenen Tun und Beten zu danken, ist im Glauben an Jesus Christus ebenso unerlässlich und selbstverständlich, wie das Wohl der „Nächsten“ zu suchen und zu fördern.


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