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Wasser des Lebens
Zur Jahreslosung 2018
Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst (Offenbarung 21, 6).
Alles Leben kommt aus dem Wasser. Das lehrt uns heute die Evolutionsbiologie. Aber auch der alte Mythos vom Geist Gottes, der „am Anfang“ über den Wassern schwebte und die „Feste“ der Erde darin errichtete, hat etwas davon geahnt (vgl. 1. Mose 1, 2 +6). Wasser ist das Element, das Leben ermöglicht. Ohne Wasser kann es sich nicht entwickeln und gedeihen. Durst nach Wasser ist darum ein elementares Bedürfnis aller Lebewesen.
In unserer hochzivilisierten Gesellschaft mit dem Überangebot an Trinkwasser aus der Leitung und aus dem Sortiment hoch angepriesenen Wassers aller Art aus der Flasche machen freilich nur wenig Menschen die Erfahrung, wie schlimm es ist, wenn Wasser fehlt. Die Bilder aus den Dürregebieten unseres Planeten mit hohlwangigen Menschen und mit verendeten Tieren werden schnell verdrängt. Nur ab und zu, wenn uns z.B. bei einer Wanderung das Wasser ausgeht, werden wir daran erinnert, wie quälend Durst sein kann.
Die Bildersprache der Bibel entdeckt diesen Durst freilich nicht nur dort, wo uns ohne Wasser die Zunge am Gaumen klebt. Für sie ist der Durst nach Wasser selbst da auf dem Plan, wo Menschen sich mit hinreichend Wasser für ihren Leib versorgt haben. Denn sie stillen mit Wasser aus der Leitung oder aus der Flasche nicht den Durst, um den es unserem menschlichen Dasein eigentlich geht. Das ist der Durst nach Leben.
Von diesem Durst redet unsere Jahreslosung. Sie stammt aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes. Das ist ein Buch, mit dem sich unsere Kirche schon immer schwer getan hat und das uns heute erst recht befremdend anmutet. Denn es besteht aus vielen Visionen, in denen uns – ehe Christus endgültig siegt – die irdische Zukunft der Menschheit mit erschreckenden Szenarien von Mord und Totschlag vor Augen gemalt wird. Da ist zweifellos wilde, ekstatische, religiöse Phantasie am Werke. „Aller Rottenmeister Gauckelsack“ konnte Martin Luther dieses Buch nennen. Es regt bis heute Menschen an, düstere Prognosen für die Zukunft der Menschheit zu prophezeien.
Wir können das verstehen. Denn der Durst nach Leben verführt Menschen heute wie ehemals dazu, ihre Lebenskräfte sinnlos aufzuzehren und zu verbrauchen. Er veranlasst sie, diese Kräfte anderen Menschen zu rauben, um mit ihnen den eigenen Durst zu stillen. Viel zu spät, erst im 21. Kapitel seines Buches, setzt der Visionär von Insel Patmos dagegen das, was Gott in Jesus Christus sagt.
Unsere Jahreslosung korrigiert dieses Zuspätkommen. Sie setzt in der Erkenntnis Jesu Christi an die erste Stelle, dass Gott jedem Menschen aus der Quelle seines ewigen göttlichen Lebens Lebenskräfte zusprudeln lässt, die das ganze Leben bis hinein in den Tod zu einem Aufbruch in dieses Leben hinein werden lassen. „Umsonst“, d.h. ohne getrieben vom Durst des Aussaugens des eigenen und des anderen Lebens, können wir im Auf und Ab unserer Lebenstage aus dieser Quelle schöpfen. „Umsonst“ erfahren wir, wie gut es ist, wenn da einer ist, der uns Durstigen, noch ehe der Durst uns quält, „Wasser des Lebens“ reicht.