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02.01.2014 20:46 Age: 10 yrs
Category: Artikel

Nicht wie Sternschnuppen

Alles ist vergänglich. Warum Christen trotzdem auf das ewige Leben hoffen (Die Kirche 47/ 2005)


Das letzte Wort des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, das wir jeden Sonntag im Gottesdienst sprechen, heißt: Ewiges Leben. Der letzte Sonntag im Kirchenjahr wird seit geraumer Zeit auch Ewigkeitssonntag genannt. Das Letzte, was die christliche Kirche angesichts eines gestorbenen Menschen zu sagen vermag, ist die Bitte, dass Gott ihm das ewige Leben schenken möge.

Auf das ewige Leben läuft offenkundig alles hinaus, was den christlichen Glauben, die christliche Botschaft und ein christliches Leben ausmacht. Es ist die Pointe unseres Glaubens an Gott. Sie liegt in der Ewigkeit und nicht in der Zeit.

Für nicht wenige Menschen ist das eine abenteuerliche Behauptung. Sie vermuten, es handle sich hier um eine illusionäre Phantasie, welche die Todesgrenze leugnen möchte. Solche Phantasien gibt es in der Religionsgeschichte tatsächlich in großer Zahl. Mit ihnen träumen sich Menschen über ihr kurzes und unvollkommenes Leben hinaus. In unserer religiös pluralistischen Gesellschaft hat z.B. die Vorstellung von der Seelenwanderung eine gewisse Konjunktur. Sie tröstet darüber hinweg, das wir nur einmal kurz auftauchen wie Sternschnuppen, uns mit diesem Leben abrackern und dann wieder verschwinden. Der Wunsch nach einer „zweiten Chance“ ist angesichts dieses sinnlosen Geschicks durchaus verständlich.

Doch solche Wünsche wuchern in Menschen, die an Gott glauben, nicht. Sie bekennen sich vielmehr dankbar dazu, dass Gott, der Schöpfer, ihnen das Leben als eineeinmalige Gelegenheit geschenkt hat. Aber es ist kein in die Grenzen von Raum und Zeit eingesperrtes Leben. Denn Menschen, die an Gott glauben, haben es schon immer mit der Ewigkeit zu tun. Sie erleben die Nähe des ewigen Gottes. Mit der Ewigkeit bekommen sie es darum nicht erst zu tun, wenn sie sterben. Sie werden von ihrem Geheimnis jeden Tag berührt.

Für uns fallen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinander. Unser Leben verbraucht und zerstreut sich in diesem Ablauf. Darum empfinden es viele Menschen als zusammenhangslos und sinnlos. Gottes Ewigkeit aber hat die Kraft, unsere Lebenszeiten zu einem Ganzen zu sammeln. Jeder, der zum ewigen Gott betet, kann diese Erfahrung machen. Alles, was wir in der Vergangenheit erlebt haben, gegenwärtig erfahren und für die Zukunft erwarten oder befürchten, vertrauen wir hier einem Frieden der Zeiten an, den wir Gottes Ewigkeit nennen. So wird es auch sein, wenn wir im Glauben an den ewigen Gott sterben. Wir lassen unser Leben in die Gegenwart Gottes los. Wir tun das in der Gewissheit, dass es den ewigen Gott gerade auszeichnet, mit der Kraft seiner Ewigkeit das Leben seiner Geschöpfe nicht loszulassen.

Christinnen und Christen gewinnen diese Gewissheit durch Jesus Christus. Denn das Leben und Sterben dieses Menschen begründet ihren Glauben an Gott. Es ist ihnen als verewigtes Leben und Sterben gegenwärtig. Mit ihm spricht der ewige Gott sie an. Durch ihn ruft er sie zu sich. Ihn – Gottes uns menschlich zugewandte Ewigkeit – haben sie vor Augen, wenn sie auf ihren Tod zu gehen.

Natürlich bewegt uns Alle dringend die Frage: Was wird dann geschehen? Wie wird es sein, wenn Gott unser zu Ende gegangenes Leben verewigt? Es ist ja die Frage unseres Lebens schlechthin. Doch kein Mensch kann auf sie aus Erfahrung antworten. Und die Toten bleiben stumm. Nur der nicht, in dem Gott das Geheimnis seiner menschlichenfreundlichen Ewigkeit unter uns ankern ließ. Er treibt unsere Hoffnung an, dass wir in unserem Tode seinen Spuren in Gottes Ewigkeit folgen werden.

Hoffung kann keine Protokolle der Zukunft ausfertigen. Sie ist darauf angewiesen, dass sie der bewahrheiten wird, der sie ausgelöst hat. Unser ewiges Leben – so verspricht er uns – wird ein Leben in wunderbarem Frieden mit Gott sein. Es wird ein Leben sein, in dem wir ganz mit uns selbst einverstanden sein können. Alles, Widerliche, Verfehlte und Böse wird der gnädige Gott von uns scheiden. Es wird im Verhältnis zu den Menschen, mit denen wir gelebt haben, Alles gut sein. Nichts wird mehr dunkel sein. Wir werden „von einer Klarheit zur anderen verwandelt werden“ ( II Kor 3, 18).

Menschen, die in solcher Hoffnung leben, sind eigenartig menschliche Menschen. Sie sind sich bewusst, wie relativ alles ist, was sie ins Werk setzen. Sie halten nichts von menschlichen Absolutheitsansprüchen zur Lösung der Welträtsel. Aber sie sind deshalb beileibe keine grauen Mäuse. Sie vollziehen ihr Leben ja in dem Bewusstsein, dass es ewige Beachtung findet und nichts dem Vergessen anheim fällt. Sie wissen sich darum aufgerufen, ihr Dasein jeden Tag bis in die Stunde ihres Todes vor dem ewigen Gott zu verantworten. Gott gibt ihnen die einmalige Chance, sich durch ihr Leben in seiner Ewigkeit einen Namen zu machen. Bei diesem Namen wird er uns rufen, wenn wir sterben. Auf das ewige Leben hoffen, heißt, sich auf diesen Ruf freuen. Er ist in der Tat die Pointe unseres Daseins und unseres Glaubens.