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Apostel mit feinem Gespür
"angesagt" zu Psalm 34,3 in: Die Kirche Nr. 2 vom 14. Januar 2018
Psalm 34, 3: Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass es die Elenden hören und sich freuen.
Für uns Christinnen und Christen heute ist das sicherlich eine schwierige „Ansage“, die dieser Psalmvers uns macht. Wir sollen uns rühmen. Gemeint ist: Wir sollen uns dessen rühmen, was wir Gott verdanken. Das aber sollen wir so machen, dass es bei Menschen, welche Luthers Übersetzung „Elende“ nennt, Freude auslöst.
Welche „Elenden“ unser Psalm vor Augen hatte, weiß niemand genau. Andere Bibelübersetzungen reden von „Armen“, „Gebeugten“ oder „Entmutigten“. Es sind jedenfalls Menschen, denen ihr Elend die Freude an ihrem Leben erstickt hat. Doch ist das lautstarke „Rühmen“ des Gottes, das ihnen zu Ohren dringt, angesichts ihres Elends die richtige Tonart? Bedürfen sie nicht eher der sanften, mitleidenden Stimme des guten Hirten, die sie aufrichtet und ihnen Wege aus ihrem Elend bahnt?
Der Apostel Paulus hat das so gesehen. Er hatte auch ein ganz feines Gespür dafür, dass sich das Rühmen Gottes in der Christenheit immer wieder mit dem Selbstruhm vermengt. Die eigenen Gotteserlebnisse werden dann im Namen Gottes gerühmt. „Ich“ wird das erste Wort in Predigten, um von Radioandachten zu schweigen.
Er wolle sich lieber „seiner Schwachheit rühmen“, hat sich Paulus demgegenüber vorgenommen (2. Korinther 12, 9). Das heißt natürlich nicht, unser Schwachsein im Rühmen Gottes solle irgendwie verherrlicht werden. Es bedeutet aber sehr wohl, dass wir selbst zu den „Elenden“ gehören, die darauf angewiesen sind, dass Gott uns Freude an unserem Leben schenkt.
Nur demütig und nicht triumphierend, nur in Wort und Tat mitleidend mit den „Elenden“ in der Nähe und in der Ferne können wir hoffen, „dass es die Elenden hören und sich freuen“.